Dr. Katharina Kellmann

Wege zum Ruhm: ein Filmklassiker

1957 drehte Stanley Kubrick mit Kirk Douglas in der Hauptrolle den Film Paths of Glory (Wege zum Ruhm). Die Dreharbeiten fanden in Süddeutschland statt. Der Film thematisiert Vorgesetztenwillkür, eine menschenverachtende Führung durch skrupellose Offiziere und die Realität des Grabenkrieges zwischen 1914 und 1918. Er hätte auch in den deutschen Streitkräften spielen können. Manchmal sagt ein Film mehr aus als dickleibige Bücher von Historikern. Wege zum Ruhm gehört dazu. Aber nun zum Film.

Die Landschaft ist grau: Leben scheint es dort nicht zu geben. Gräben durchziehen die Erde und dazwischen liegt ein Niemandsland mit Kratern. Doch hier leben Menschen. Ja, sie sind es, die aus einer blühenden Landschaft einen kalten Mond gemacht haben. Sie führen Krieg gegeneinander. Die Soldaten sind grau wie das Land und der Himmel. Der Erste Weltkrieg ist ein Stellungskrieg, da werden keine Trompeten geblasen und keine Attacken geritten.

Inmitten der Wüstenei gibt es Inseln der Zivilisation. Die Generäle und ihre Stabsoffiziere brauchen keinen Feldherrnhügel, sie residieren in Schlössern und Landhäusern. Hier planen sie den Krieg. Dazwischen nehmen sie ihren Tee und dinieren. Ja, sie wissen, was „ihre Jungs“ aushalten müssen – sie haben ein „Herz für die Truppe“.

Eines Tages erhält der Kommandeur einer Infanteriedivision, General Mireau, Besuch aus dem Oberkommando. General Broulard, sein Vorgesetzter, hat einen Plan: Die Soldaten von Mireau sollen eine taktisch wichtige Stellung stürmen. Der Divisionskommandeur zweifelt an der Durchführbarkeit dieses Plans und rechnet mit hohen Verlusten, aber sein Gast hat einen Köder: Aus dem Divisionskommandeur soll ein kommandierender General werden.

Vorher gilt es, die Höhe XY zu nehmen. So begibt sich General Mireau in die Schützengräben. „Seine Söhne“ werden es schon schaffen, meint er, aber die wirken nur noch grau und müde. Und kämpfen wollen sie auch nicht mehr. Sie scheinen den General nicht zu verstehen, der doch wie ein Vater zu ihnen ist. Es ist das Infanterieregiment von Oberst Dax – im Zivilberuf ein berühmter Strafverteidiger.

Der General stellt Dax zur Rede, er scheine des Krieges müde zu sein. Aber hier hilft der Appell an die Ehre. Dax verspricht, die Höhe XY zu nehmen, da gibt es auf einmal bei ihm keine Zweifel mehr.

Wenige Stunden später beginnt der Angriff. Der Gegner reagiert mit heftigem Artilleriefeuer. Das Land ist immer noch so grau wie der Himmel, aber es bebt plötzlich. Colonel Dax klettert als Erster aus dem Schützengraben. Doch nur ein Teil der Soldaten folgt ihm. Einige werden schon nach wenigen Metern getötet, andere verlassen nicht die Stellungen. Von seinem Beobachterposten aus muss Mireau ohnmächtig mit ansehen, dass das Unternehmen scheitert. Wütend befiehlt er einem Artilleriekommandeur, das Feuer auf die eigenen Linien zu richten – was dieser ohne einen schriftlichen Befehl nicht tun will. Der General lässt ihn ablösen. Dax versucht, die Soldaten zum Angriff zu bewegen, aber auch er kann nicht verhindern, dass sie in ihren Stellungen bleiben.

Am nächsten Tag steht der Oberst seinem Divisionskommandeur gegenüber. General Broulard ist dabei. Mireau will wie Cäsar ein Exempel statuieren – jeder zehnte Mann soll erschossen werden. Colonel Dax stellt sich vor seine Soldaten und meint, man solle doch ihn füsilieren.

Der General aus dem Oberkommando handelt einen Kompromiss aus – Kompromisse sind seine Spezialität. Drei Soldaten, aus jeder Kompanie einer, sollen vor ein Kriegsgericht gestellt werden. Dax bittet darum, sie verteidigen zu dürfen, was der Besucher aus dem Oberkommando gestattet – es ist Zeit zu Tisch zu gehen. Dax schlägt die Einladung aus und entschuldigt sich.

Drei willkürlich ausgewählte Soldaten sitzen am Nachmittag vor einem Tribunal, das von mehreren Offizieren gebildet wird. Der Adjutant des Generals führt die Anklage. Der Prozess ist eine Farce. Auch ein so ausgezeichneter Jurist wie Dax kann das Urteil nicht verhindern: Tod durch Erschießen.

Eine Hoffnung scheint es noch zu geben: Dax erfährt von dem Befehl des Generals, auf die eigenen Stellungen schießen zu lassen. Während die zum Tode Verurteilten ihre Henkersmahlzeit serviert bekommen, versucht der Oberst, Broulard zu erreichen. Er trifft ihn im Hauptquartier – für die Offiziere und ihre Frauen findet ein Ball statt. Dax kann ihn sprechen, aber der General will trotz der neuen Informationen das Urteil vollstrecken lassen. Es ist Krieg und man müsse ein Exempel statuieren. Die Soldaten werden erschossen.

Im Hauptquartier des Divisionskommandeurs frühstücken Mireau und Broulard am nächsten Tag nach der Hinrichtung. Auch Dax sitzt am Tisch, aber nicht als Gast. Die Verurteilten hätten Haltung bewiesen, meint Mireau und nimmt noch einen Schluck Kaffee. Da konfrontiert ihn Broulard mit dem Vorwurf, das Feuer auf die eigenen Linien befohlen zu haben. Dax wiederholt die Aussage des Artillerieoffiziers. Das ist zu viel für Mireau: Erst diese Insubordination des Obersten, der drei Feiglinge vertritt und jetzt dieser ungeheuerliche Vorwurf! Das sei doch ausgezeichnet, erwidert Broulard – leider sei ja nun eine Untersuchung nötig, aber der könne sein lieber „George“ – man duzt sich – ruhig entgegensehen. Mireau verlässt empört den Raum.

Auf diesen Moment hat Broulard, der Meister des Papierkriegs, nur gewartet. Wenn der Krieg schon in den Laufgräben erstarrt ist, dann kann man wenigstens mit Planstellen Menschen zu Schachfiguren degradieren. Es sind Instrumente, derer man sich bedient. Der General bietet Dax den Befehl über die Division an; der bisherige Kommandeur werde abgelöst. Der Oberst begreift nicht. Der Papierstratege lächelt – Dax solle doch nicht so tun, als ob es ihm um das Leben der drei Männer gegangen sei. Ja, er sei am Ziel, er – Dax – würde nun in diesem Schloss vom Schreibtisch als General aus den Krieg führen.

Der Oberst springt auf; er muss sich beherrschen. Broulard ist überrascht. Dann bricht der Hohn aus ihm heraus: Dax sei dumm. Der Bauer will nicht zum Springer werden. Bis vor wenigen Minuten hatte er Respekt vor dem Colonel, hielt ihn für einen intelligenten Intriganten – wie klug und geschickt der das Versagen von General Mireau für seine Zwecke ausgenutzt hätte! Doch der vermeintliche Meisterschüler entpuppt sich als naiver Idealist. Für seinen Krieg ist dieser Dax nicht zu gebrauchen. Der Oberst verlässt angewidert den Raum.

Die Schlusssequenz spielt in einer Soldatenkneipe. Der Wirt präsentiert eine deutsche Zivilistin, die zufällig während der Kampfhandlungen in französische Hände gerät. Er zwingt sie, etwas vorzutragen. Unter dem Gegröle der betrunkenen Soldaten beginnt sie zu singen. Es ist das Lied „vom treuen Husar“ – eine sentimentale Weise von einem Soldaten, die auf ein deutsches Volkslied zurückgeht. Es handelt von einem Soldaten, der ein Mädchen liebt, in ein fremdes Land ziehen muss und dort erfährt, dass sie schwer krank zu Bett liegt. Er eilt an ihr Krankenlager, wo sie in seinen Armen stirbt. Während die junge Frau singt, verstummt das Gegröle, und die ersten Soldaten summen mit. Dax, auf der Suche nach seiner Truppe, die er wieder in den nächsten Einsatz führen soll, hält kurz inne und sagt zu dem anwesenden Feldwebel, er möge den Männern noch ein paar Minuten Zeit geben.

1962 drehte Stanley Kubrick in Deutschland den Schwarz-weiß-Spielfilm „Wege zum Ruhm“. Kirk Douglas übernahm die Rolle von Colonel Dax und finanzierte das Projekt. Der Film erhielt mehrere Preise, wurde aber bald zum Politikum. In Frankreich lief „Wege zum Ruhm“ nicht in den Kinos. Man wertete den Film als Angriff auf die französische Armee. Denn „Wege zum Ruhm“ knüpfte an ein umstrittenes Kriegsgerichtsverfahren aus dem Ersten Weltkrieg an. 1915 wurden vier Soldaten wegen Feigheit vor dem Feind zum Tode verurteilt, da sie sich geweigert hatten, trotz hoher Verluste noch einmal anzugreifen. 1934 rehabilitierte sie ein Militärgericht. Der Schriftsteller Humphrey Cobb hatte 1935 die Ereignisse in einem Roman mit dem Titel „Wege des Ruhms“ verarbeitet, allerdings betont, dass jede Ähnlichkeit mit Personen zufällig sei.

Kubrick hat mit „Wege des Ruhms“ einen Klassiker der Filmgeschichte geschaffen. Der Film hätte auch in der deutschen Armee spielen können. Nur wenige Szenen des Films haben Actioncharakter. Im Mittelpunkt steht ein willkürliches Gerichtsverfahren. General Mireau repräsentiert den traditionsbewussten General, für den die Offizierlaufbahn kein Beruf, sondern ein Stand ist. Broulard könnte auch hoher Beamter in einer Behörde oder Vorstandsmitglied eines Industrieunternehmens sein. Er ist ein Opportunist, und wenn ein Oberst der Reserve, im Grunde ein Zivilist in Uniform, ihm nützlich sein kann, kennt er keine Standesdünkel. Für beide Generäle sind Soldaten „Menschenmaterial“. Dax erscheint als positiver Held, obwohl auch er am Anfang seine Zweifel ignoriert, weil Mireau ihm mit Entzug des Kommandos droht.

„Wege zum Ruhm“ ist ein Film, der das Militär zum Beispiel macht für hierarchische Systeme in Verwaltung und Wirtschaft, in denen schleimige Kofferträger, windige Opportunisten, erbärmliche Feiglinge und Maulhelden Karriere machen können – mehr Schein als Sein eben. Man mag einwenden, das sei zu einseitig – schließlich hätte auch Dax trotz Bedenken sich dem System gefügt. Diesen Widerspruch kann der Film nicht auflösen. Wo das Land und der Himmel grau sind, wo die Menschen die Landschaft zu einer Wüste verwandelt haben, da gibt es keinen Ruhm zu ernten.