Dr. Katharina Kellmann

Preußens Weg zur Großmacht war riskant

Preußens Weg zur Großmacht war riskant. Im Siebenjährigen Krieg (1756 bis 1763) stand das Land am Rande einer Niederlage (vgl. Kunisch, 2009, S. 409). Der Durchhaltewillen Friedrichs des Großen und der Thronwechsel in Russland retteten ihn. Erst in der Mitte des 18. Jahrhunderts war das Königreich in den Kreis der europäischen Großmächte aufgestiegen. Im Ersten Schlesischen Krieg (1740 bis 1742) eroberte Berlin Schlesien, das bin dahin  zu Österreich gehört hatte (vgl. Clark, 2018, S. 222).

 

Friedrich der Große
Auf dem Weg zu historischer Größe: Friedrich II. im Jahr 1743. Gemälde von Antoine Pesne (Wikimedia Commons)

 

Aber das Haus Habsburg war nicht bereit, sich mit dem Verlust abzufinden. Die Niederlage hatte der Stellung Wiens in Europa geschadet (vgl. Schieder, 1983, S. 173). Zwischen 1748 und 1756 gelang es den Diplomaten des Hauses Habsburg, die Bündnisverhältnisse auf dem Kontinent zu verändern. Die Meinungsverschiedenheiten zwischen Frankreich und dem Erzherzogtum Österreich wurden beigelegt. Historiker sprechen hier von einer „diplomatischen Revolution“. Polen, Schweden, Russland und Sachsen schlossen sich der Achse Paris-Wien an. Dresden fürchtete einen preußischen Einmarsch.

Berlin stand auf dem Kontinent ohne Verbündete da. Immerhin kam es zu einem Vertrag zwischen Preußen und England. In Westminster bediente man sich einer Kontinentalmacht als „Festlandsdegen“. Da die Engländer vor allem mit ihrer Flotte Krieg führten und nicht über ein stehendes Heer verfügten, unterstützten sie meistens eine europäische Großmacht finanziell. Dieser Staat sollte damit Truppen anwerben und mit seinen militärischen Aktionen die Gegner Londons auf dem Kontinent in Schach halten.

Hatte der Preußenkönig noch 1745 bekräftigt, er würde keinen weiteren Krieg mehr führen, so spitzte sich die Situation im Hochsommer 1756 zu. In Berlin rechnete man mit einem Angriff der gegnerischen Koalition. Schließlich gab Friedrich der Große den Befehl zum Einmarsch in Sachsen. Der Siebenjährige Krieg, der endgültig Friedrichs Ruhm begründen sollte, hatte begonnen. Ein militärisches Ringen hob an, indem die Existenz Preußens mehrmals auf dem Spiel stand.

1756 bis 1757: Friedrich sucht die Entscheidung

Friedrich der Große wusste, dass sein Land keinen langen Krieg durchhalten konnte. Er suchte eine schnelle Entscheidung auf dem Schlachtfeld (vgl. Krockow, 1998, S. 81). Normalerweise vermieden Generäle im 18. Jahrhundert ein direktes Aufeinandertreffen. Der Gegner sollte durch geschickte Marschbewegungen ausmanövriert werden. Nur unter günstigen Umständen riskierte man einen Waffengang, denn die Verluste waren nur schwer zu ersetzen.

Die Preußen besetzten 1756 Sachsen. Das sächsische Heer kapitulierte, und ein großer Teil der Truppen wurde in die preußische Armee eingegliedert. Ein habsburgisches Heer, das die Verbündeten unterstützen sollte, erlitt 1756 bei Lobositz in der ersten Schlacht des Krieges eine Niederlage. Die Preußen mussten aber trotz des Sieges einräumen, dass der Gegner aus seinen Niederlagen in den beiden Schlesischen Kriegen gelernt hatte.

Friedrich blieb bei seiner Offensivstrategie. Im Frühjahr 1757 marschierte er in Böhmen ein und schlug eine habsburgische Armee bei Prag. Die Österreicher retteten sich in die Festung. Während der preußische König noch die Belagerung organisierte, stellte Maria Theresia ein Entsatzheer auf, dessen Kommando Graf Daun übernahm. Daun hatte seit 1748 die habsburgischen Streitkräfte reformiert. Er war ein Truppenführer der alten Schule, vermied nach Möglichkeit eine Schlacht und versuchte, den Gegner mit einer ausgeklügelten Marschstrategie zu bezwingen.

Doch Maria Theresia drängte Daun, sich Friedrich entgegenzustellen. Der General bezog eine Stellung bei Kolin in der Nähe von Prag und verleitete damit den Preußenkönig, seine Truppen zu teilen. Am 16. Juni 1757 entschloss sich Friedrich, die Entscheidung zu suchen.

Die Schlacht bei Kolin – ein Wendepunkt

Am 18. Juni 1757 begann die Schlacht. Der König wollte die zahlenmäßige Unterlegenheit mit der „Schiefen Schlachtordnung“ ausgleichen. Der verstärkte Angriffsflügel sollte attackieren, während der schwächere Flügel den Gegner abzulenken hatte. Nur eine gut ausgebildete Armee konnte dieses Manöver ausführen.

Daun hatte sich geschickt verschanzt und wartete den preußischen Angriff ab. Er wusste, dass seine Grenadiere im freien Feld dem Gegner unterlegen waren und behielt die Nerven, auch nachdem der Feind erste Einbrüche in die habsburgische Linie erzielt hatte. Geschickt setzte Daun seine Reserven ein und ging am späten Nachmittag zum Gegenangriff über. Die preußischen Soldaten mussten den Rückzug antreten.

 

Graf Daun
Leopold Josef Graf Daun (1705 bis 1766): Daun war einer der gefährlichsten Gegner für Preußen. Friedrich der Große hatte dennoch nur Spott für ihn übrig. Der Künstler ist nicht bekannt (Wikimedia Commons).

 

Friedrich der Große erkannte gegen 17.30 Uhr seine Niederlage. Am nächsten Tag hob er die Belagerung von Prag auf und räumte Böhmen. Der preußische König hatte nicht nur eine Schlacht verloren. Sein Plan, angesichts der übermächtigen Feinde eine schnelle Entscheidung zu erzwingen, war gescheitert (vgl. Bremm, 2017, S. 217).

Die preußische Armee musste sich aus Böhmen zurückziehen. Friedrich teilte sie in zwei Kolonnen und übergab das Kommando über eine Marschgruppe seinem ältesten Bruder, Prinz August Wilhelm. Der Prinz war der Aufgabe nicht gewachsen. Als sich die Heeresteile vereinigten, konnte er dem König nur eine abgekämpfte Truppe übergeben. Die Österreicher hatten mit einer Art Kleinkrieg den Rückzug der Preußen erschwert. Friedrich der Große enthob seinen Bruder unter entwürdigenden Umständen des Kommandos; ein Jahr darauf starb August Wilhelm.

Die restlichen Monate des Jahres 1757 brachten den Preußen zwei Siege ein, die das Ansehen Friedrich des Großen stärkten, aber nicht den Krieg entschieden. Bei Roßbach besiegte er ein Heer, das aus Truppen der Reichsarmee und der Franzosen bestand, und bei Leuthen in Schlesien bezwang er im Dezember 1757 die doppelt so starken Österreicher. Diese Schlacht sollte seinen Feldherrenruhm besiegeln.

1758 bis 1761: Preußen kämpft um seine Existenz

Beide Erfolge konnten nicht darüber hinweg täuschen, dass Preußen in die strategische Defensive gedrängt war. Sein Glück bestand darin, dass seine Feinde sich nicht auf einen gemeinsamen Feldzugsplan einigen konnten. Einem konzentrierten Angriff an mehreren Fronten hätte Friedrich nicht standhalten können. Auf Nebenkriegsschauplätzen wie Ostpreußen erlitt die preußische Armee Niederlagen. Friedrich führte die Hauptarmee und Prinz Heinrich, sein jüngerer Bruder, hielt ihm mit einem eigenen Korps den Rücken frei. Während der König nach Möglichkeit die Entscheidung in der Schlacht suchte, setzte Prinz Heinrich mit seinen Truppen auf eine Ermattungsstrategie, die eine offene Konfrontation vermied.

 

Prinz Heinrich von Preußen
Prinz Heinrich von Preußen: Friedrich der Große hielt seinen jüngeren Bruder für den fähigsten Truppenführer des Krieges. Foto eines Gemäldes von Johann Heinrich Tischbein dem Älteren aus dem Jahr 1769 via Wikimedia Commons.

 

Und immer wieder war es Graf Daun, der Friedrich unangenehme Überraschungen bereitete. 1758 überfiel eine habsburgische Armee unter seinem Kommando bei Hochkirch in den frühen Morgenstunden das preußische Heerlager. Der König hatte Warnungen nicht ernst genommen.

1759 sah es so aus, als ob das Ende Preußens gekommen sei. Ein habsburgisches und ein russisches Heer rückten auf Berlin zu. Friedrich stellte sich bei Kunersdorf zur Schlacht. Nach anfänglichen Erfolgen setzte er die Kampfhandlungen fort, obwohl seine Offiziere ihm rieten, die Schlacht abzubrechen. Dieser Entschluss sollte sich als schwerer Fehler erweisen. Am Abend der Niederlage schrieb er einen verzweifelten Brief an seinen Bruder, Prinz Heinrich, und bat ihn, als Reichsverweser die Regierungsgeschäfte zu übernehmen. Doch Russen und Österreicher ließen die Chance zum Marsch auf Berlin ungenutzt verstreichen. Friedrich konnte sein Heer reorganisieren und den Krieg fortsetzen.

1760 schien Preußen dennoch vor der Kapitulation zu stehen. Zwar gelang Friedrich bei Torgau ein knapper Sieg über Daun, aber Schlesien, Ostpreußen und Teile Sachsens befanden sich in der Hand der Gegner. Doch auch in Österreich und Russland machte sich Kriegsmüdigkeit breit. Frankreich hatte außerdem in Übersee gegen England schwere Kämpfe zu bestehen.

1761 sah sich Friedrich der Große nicht mehr zu einer offensiven Kriegführung in der Lage. Die preußischen Reserven waren erschöpft. In Bunzelwitz bei Niederschlesien verschanzte sich der König an einem strategisch wichtigen Punkt gegen eine Übermacht aus Österreichern und Russen. Es gelang den Verbündeten nicht, die Preußen zur Schlacht zu stellen. Schweden zeigte ebenfalls keine große Initiative.

Der Thronwechsel in Russland

1762 kam es in Russland zu einem Thronwechsel. Der junge Zar Peter, ein Bewunderer des Preußenkönigs, verließ die Koalition und wollte sogar gemeinsam mit Berlin kämpfen. Sein Sturz noch im Jahr 1762 verhinderte diese Pläne, aber seine Nachfolgerin, die Zarin Katharina, wollte sich am Krieg gegen Preußen nicht mehr beteiligen.

Ohne Russland vermochte auch Habsburg nicht weiterzukämpfen. Als Prinz Heinrich 1762 in Freiberg ein österreichisches Heer besiegte, waren die europäischen Mächte zu Friedensverhandlungen bereit. Wien musste sich endgültig mit dem Verlust Schlesiens abfinden. Preußen hingegen zog aus Sachsen ab. In Übersee überließ Frankreich Kanada den Engländern.

Der Friede von Hubertusburg 1763 bestätigte, dass es fortan zwei Großmächte im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation gab: Habsburg und Preußen. Das Erzherzogtum Österreich galt aufgrund seiner Landmasse als der mächtigere Staat. Der deutsche Dualismus war geschaffen und erst 1866 sollte er mit der Niederlage Österreichs gegen die Preußen bei Königgrätz enden (zur Schlacht von Königgrätz: http://katharinakellmann-historikerin.de/koeniggraetz-eine-schlacht-veraenderte-europa/).

1763: Preußen etabliert sich als Großmacht

Dass Friedrich der Große bis zum Frieden von Hubertusburg durchhielt, hatte er dem Ausscheiden Russlands zu verdanken. Hinzu kamen seine Qualitäten als Truppenführer. Dabei unterliefen ihm auch Fehler. Der König trug an den Niederlagen von Kolin, Hochkirch und Kunersdorf eine Mitverantwortung. Bei Leuthen, Torgau und Liegnitz hingegen gelangen ihm große Siege. Friedrich der Große erwies sich als energischer Monarch, der trotz mancher Zweifel nie daran dachte, den Krieg durch die Rückgabe Schlesiens zu beenden. Prinz Heinrich wäre dazu möglicherweise bereit gewesen. Der Historiker Tim Blaning urteilt über die Rolle Friedrich des Großen: „Mit einem Wort: Er war ein mittelmäßiger General, aber ein glänzender Kriegsherr“(Blaning, 2018, S. 343). Der Siebenjährige Krieg wurde aber nicht nur in Europa ausgetragen. Frankreich, England und Spanien bekämpften einander in Übersee. Berlin profitierte davon, dass Paris sein militärisches Potenzial nicht nur an einer Front einsetzen musste.

 

Der Krieg ist aus
Der Krieg ist aus. Der König als Solist bei einem Flötenkonzert. Gemälde von Adolph Menzel. Das Foto wurde 2018 von Dguendel bei Wikimedia Commons eingestellt.

 

Mit dem Siebenjährigen Krieg hatte sich Friedrich endgültig unsterblich gemacht. Aber der Weg zu historischer Größe führte nahe am Abgrund vorbei. Der Monarch war sich der Tatsache bewusst, dass Preußen im Vergleich zu den anderen Großmächten (England, Frankreich, Habsburg, Russland) eine relativ schwache Position hatte. Fortan legte er Wert auf ein gutes Verhältnis zu Russland (vgl. Gooch,  1986, S. 86).

Den preußischen Königen wird manchmal nachgesagt, sie wären kriegerische Monarchen gewesen. Im Grunde trifft dies nur für Friedrich den Großen zu. Er erkannte eine Möglichkeit, die Stellung Preußens im System der europäischen Mächte zu heben und nutzte sie. Jeder französische, englische oder schwedische König hätte dies auch getan.

Dass er zu den Monarchen gezählt wird, denen man schon zu Lebzeiten den Beinamen „der Große“ verlieh, lag nicht nur an seinen militärischen Leistungen. Bis zu seinem Tode widmete er sich dem Aufbau und der Modernisierung des Staates. Er war nicht nur ein großer Soldat, sondern auch ein hervorragender Verwaltungsfachmann, der Reformen im Sinne eines aufgeklärten Absolutismus durchsetzte. Eben ein „Großer“.

 

Informative Weblinks:

https://www.welt.de/kultur/article4307490/Bei-der-Schlacht-in-Kunersdorf-ging-Preussen-unter.html

 

Literatur:

Tim Blaning, Friedrich der Große. König von Preußen. Eine Biographie, München 2018

Klaus-Jürgen Bremm, Preußen bewegt die Welt. Der Siebenjährige Krieg, Darmstadt 2017

Christopher Clark, Preußen. Aufstieg und Niedergang 1600 – 1947, 15. Aufl., München 2018

Marian Füssel, Der Preis des Ruhms. Eine Weltgeschichte des Siebenjährigen Krieges 1756 – 1763, München 2019

G .P. Gooch, Friedrich der Große. Herrscher – Schriftsteller – Mensch, Göttingen 1986

Christian Graf von Krockow, Die preußischen Brüder. Prinz Heinrich und Friedrich der Große. Ein Doppelporträt, 3. Aufl., Stuttgart 1998

Johannes Kunisch, Friedrich der Große. Der König und seine Zeit, München 2004

Theodor Schieder, Friedrich der Große. Ein Königtum der Widersprüche, Frankfurt/M., Berlin, Wien 1983

 

Der Beitrag wurde am 23. Dezember 2020 überarbeitet.